Die Rübe ist in der Marktwirtschaft angekommen
Nordzucker stellt die Zeichen auf Ausdehnung des Zuckerrübenanbaus. Denn die süße Feldfrucht soll nicht nur für die Zucker- und Bioethanolerzeugung bereitstehen, sondern auch für die Biogaserzeugung eingesetzt werden und einen attraktiven Industriezuckermarkt mitversorgen. Diese anspruchsvollen Ziele erfordern neue Weichenstellungen für den Zuckerrübenanbau auf allen Seiten. Zu Perspektiven und Maßnahmen sprach Tanja Schneider-Diehl mit Dr. Niels Pörksen, Vorstand Agrarwirtschaft, Nordzucker AG.
Herr Dr. Pörksen, Landwirte haben die Wahl, welche Feldfrüchte sie anbauen. Wie beurteilen Sie die Bereitschaft der Landwirte, den Zuckerrübenanbau auszudehnen?
Dr. Pörksen:
Die Zuckerrübe spielt sozusagen in der Champions League der landwirtschaftlichen Kulturen und die Landwirte, die sie anbauen, tun dies ebenfalls. Kaum eine landwirtschaftliche Kulturpflanze hat derartige Ertragsentwicklungen erlebt, noch immer steigt der Ertrag jährlich um rund zwei Prozent und ein Ende ist nicht erkennbar. Viele andere Kulturen weisen dagegen stagnierende Erträge auf. Die Rübe bringt den Blattfruchtanteil in die Fruchtfolge eines Betriebs und im Quotenbereich einen sehr wettbewerbsfähigen Deckungsbeitrag über viele Jahre. Ein weiterer Vorteil sind die Stabilität und Berechenbarkeit der Preise. Der Landwirt kann mehrjährige Verträge abschließen und minimiert somit das Risiko von Preisschwankungen. Des Weiteren ist der Service, der die Rübe umgibt, enorm. Aussaat, Rodung, Lagerung am Feldrand und Abfuhr sind sehr häufig durch Landwirtskooperationen organisiert. Trotz länger werdender Kampagnen, die wirtschaftlich notwendig sind, mit unsicheren Wetterphasen geht das Risiko von Verlusten ab dem 23. Dezember auf die Nordzucker über, sofern die Rüben ordnungsgemäß abgedeckt werden. Es gibt eine hohe Transparenz hinsichtlich der Qualitätsbestimmung in den Werken, so dass jeder Anbauer verfolgen kann, wie seine Maßnahmen sich in Qualität und Ertrag niedergeschlagen haben. Landwirte entscheiden nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten, und daher muss auch der Preis für Rüben im Nichtquotenbereich attraktiv sein. Mit unseren Vertragsangeboten für 2011 haben wir dem Rechnung getragen. Rüben bleiben für den Landwirt auch in Zukunft sehr attraktiv.
Gibt es signifikante Unterschiede zwischen den drei Nordzucker-Regionen?
Dr. Pörksen:
Der fundamentale Unterschied liegt darin, dass die Rübenanbauer in Norddeutschland auch Aktionäre der Nordzucker sind. Sie haben eine doppelte Beziehung zum Unternehmen und zu den Zuckerfabriken. Dadurch spielt viel Herzblut mit beim Anbau und bei der Verarbeitung der Zuckerrübe. In den Regionen Nordeuropa und Osteuropa ist die Verbindung zu Nordzucker vergleichbar mit der zu Verarbeitungspartnern anderer Kulturen. Ansonsten haben wir es mit den gleichen Voraussetzungen zu tun. Die Rübe hat sich überall dem Wettbewerb mit anderen Feldfrüchten zu stellen.
Die künftige Rohstoffstrategie der Nordzucker muss viele Einsatzmöglichkeiten für Rüben unter einen Hut bringen. Ist die Versorgung für Zucker, Bioethanol und Biogas auf Dauer gesichert?
Dr. Pörksen:
Die Rübe ist in der Marktwirtschaft angekommen. Wenn Nordzucker hohe Zuckerpreise erwirtschaftet, wird auch der Rübenpreis folgen und wettbewerbsfähig bleiben. Dies gilt auch für Ethanol- und Biogasrüben. Wenn die Rübe für die Biogasbetreiber eine Ergebnisverbesserung bringt, dann leitet sich daraus der Rübenpreis ab. Ist dieser attraktiv für den Anbauer, ist die Versorgung gesichert. Das ist der Grund, warum wir den flexiblen Preis anbieten und für I1-Rüben einen sehr guten Preis zahlen.
Auf volatile Märkte hat Nordzucker mit flexiblen Verträgen bereits Antworten gefunden. Akzeptieren die Landwirte die neue Vielfalt?
Dr. Pörksen:
Eindeutig ja! In meinen Gesprächen mit den Landwirten wurde diese zusätzliche Möglichkeit ausdrücklich positiv bewerten, obwohl das Argument der stabilen, berechenbaren Preise auch weiterhin sehr geschätzt wird. Bisher wurde für rund 30 Prozent der Menge aus den langfristigen Verträgen ein variables Preisniveau abgeschlossen. Bei Kurzfristverträgen liegt der Anteil derzeit bei rund 50 Prozent.
Welche neuen Anstöße haben Ihnen Ihre jüngsten Gespräche mit Landwirten vor Ort gegeben?
Dr. Pörksen:
Zuerst einmal wurden diese Gesprächsrunden sehr positiv aufgenommen. Es herrschte ausnahmslos eine sehr konstruktive Stimmung. Viele der uns im letzten Jahr entgegengebrachten Kritikpunkte wurden bestätigt, aber teilweise mit deutlich anderer Gewichtung. Die Abhängigkeit der Preise von den Entwicklungen an den Märkten wird generell akzeptiert, da sie bereits aus anderen Kulturen (wie Raps, Weizen oder Kartoffel) bekannt ist. Die empfundene Entfremdung zwischen Nordzucker und dem Anbauer wird jedoch mit Besorgnis gesehen. Das ist auch der Anstoß für unser Team, Kontakt zu unseren Anbauern zu intensivieren und gemeinsam den Rübenanbau profitabel zu halten, so dass der Rübenanbau Freude macht.
Wenn Sie auf 2020 blicken: Wie optimistisch sind Sie, dass die Rüben für alle Verwendungen ausreichen werden? Was tut Nordzucker dafür?
Dr. Pörksen:
Bis 2020 sind es keine zehn Jahre mehr. Aber wenn wir zehn Jahre zurückblicken, dann hat sich bis heute eine enorme Ertragssteigerung bei der Rübe gezeigt. Das motiviert uns, mit allen aktiven und interessierten Partnern aus der gesamten Rübenprozesskette ein Ziel zu definieren, das uns gemeinsam eine weitere deutliche Ertragssteigerung bringen wird. In der Spitze erreichen wir schon heute Zuckererträge von 15 bis 16 Tonnen je Hektar, im Schnitt liegen wir bei rund elf Tonnen. Züchtung, die Vermeidung von Verlusten und die weitere Optimierung der Anbautechniken werden uns helfen, die Erträge weiter zu steigern Damit bleibt die hohe Wettbewerbsfähigkeit der Rübe auch zukünftig erhalten. Auch die aktive Suche nach weiteren Verwertungsmöglichkeiten wird die Rübe als permanente und für den Landwirt unverzichtbare Kultur im Anbau halten.
Text: Nordzucker AG, Akzente Februar 2011, Das Interview führte Tanja Schneider-Diehl
Foto: Peter Gaß