Herausforderungen bei der Energierübenernte
lws./dlg. EIBELSTADT / HANNOVER. Bei der Ernte von Zuckerrüben gab es in den letzten Jahren kontinuierliche Verbesserungen. Die Ernte von Energierüben stellt einige neue Herausforderungen an Ernte, Transport und Lagerung. Dr. Klaus Ziegler, Verband Fränkischer Zuckerrübenbauer, Eibelstadt, beschreibt in seinem Beitrag die aktuellen Trends bei der Technik für die Energierübenernte.
Weltweit erzeugen 113 Länder Zucker – 42 davon aus Zuckerrüben; das sind vor allem klimatisch gemäßigte Länder wie in West-, Mittel- und Osteuropa, den Vereinigten Staaten, China und Japan. Der überwiegende Teil – gut zwei Drittel – des Weltzuckers wird aus Zuckerrohr unter (sub-)tropischen Klimaten gewonnen. An die Zuckerproduktion ist oftmals eine Bioethanol-Erzeugung gekoppelt, die sowohl bei Zuckerrohr als auch bei der Zuckerrübe zusätzliche Anbauflächen benötigt. Nicht erst seit der Diskussion über die „Energiewende“ kommt besonders in Deutschland eine weitere Entwicklung hinzu, nämlich dass in Biogas-Anlagen zunehmend Zuckerrüben zur Auflockerung Mais lastiger Substratzusammensetzungen verwendet werden. Dabei spielt die Erkenntnis eine wesentliche Rolle, dass die Zuckerrübe zu den Feldfrüchten mit den höchsten Trockensubstanz-Erträgen in einer leicht vergärbaren Form zählt. Auf diese Weise konnten die Anbauflächen von Zuckerrüben sogar leicht zulegen – in Deutschland auf knapp 400.000 ha (etwa 10 Prozent für Bioethanol und Biogas) und EU-weit auf 1,6 Mio. ha. Damit stellen Zuckerrübenanbau und Zuckerindustrie für den ländlichen Raum einen erheblichen Wirtschaftszweig dar, der allerdings stets von den politischen Rahmenbedingungen abhängt. Aktuell wurde von der EU beschlossen, die Quotenregelung für Zucker 2017 auslaufen zu lassen – Hauptargument neben dem allgemeinen Hang zu Liberalisierung: Im weltweiten Vergleich sei die Zuckerproduktion aus Rüben in großen Teilen der EU heute schon wettbewerbsfähig?!
Ungeachtet der eigenen Brancheneinschätzung liegt damit ein noch größerer Kostendruck auf allen Bereichen der Erzeugung, aber insbesondere auf der Erntetechnik; immerhin rund 25 Prozent der Spezialkosten im Feld werden durch diese verursacht.
Mehrreihig selbstfahrend
Beim allgemeinen Trend zur leistungs- und kostenorientierten Mechanisierung in der Landwirtschaft geht der Rübenerntebereich weiter voran. Große selbstfahrende Maschinen, meist 6-reihig, immer öfter 9-reihig und in Ausnahmefällen auch 12-reihig und bunkernd, sind mittlerweile das Maß und das weltweit. Was 1974/1975 mit den ersten sechsreihigen Köpfrodebunkern „Südzucker-Betaking 3000“ und dem „Holmer-System Paintner“ begann, wurde in den letzten Jahrzehnten und wird weiter perfektioniert.
Weiterentwicklungen auf den Gebieten einer schonenden Behandlung der Zuckerrübe, eines geringen Erdanteils bei dennoch geringen Ernteverlusten – und das bei einem Maximum an Bodenschonung – erfolgen meistens nur noch bei diesen mehrreihigen, selbstfahrenden Maschinen, die die Ernte in Einmann-Arbeit darstellen.
Zusätzlicher Innovationsmotor sind natürlich auch die veränderten Ansprüche in der äußeren Qualität (Köpfschnitt) bei Biogasnutzung und Langzeitlagerung. Hohe Mobilität, Wendigkeit, schnelle Betriebsbereitschaft und Einsatzsicherheit sind Parameter für den effizienten Einsatz auf allen Flurstücks-Größen. Der ergonomischen Bedienung und der Schulung des Bedienungspersonals in High-Tech-Fahrerkabinen gilt ein großes Augenmerk. Kameraüberwachung und TouchScreen-Bedienung über/auf Monitor-Oberflächen verlangen höchste Aufmerksamkeit vom Fahrer, der für jede Automatisierung dankbar ist. Dies darf allerdings nicht den direkten Kontakt zu Boden und Erntegut verhindern, um beste Arbeitsqualität bei annehmbaren Bodenbedingungen im Blick zu behalten. Die Nutzung der neuesten Reifentechnologie mit Balance- und Wank-Stabilisierung bei zwei- und immer mehr dreiachsigen Maschinen erhöht die Einsatzflexibilität nicht nur im hängigen Gelände. In die gleiche Richtung zielen verlängerte, klappbare Bunkerausleger, um größere Mieten für 10 m Mäuse aufzubauen … oder ein Rodeaggregat, an dem die Rodewerkzeuge (Polderschare) einzeln aufgehängt sind und sich automatisch exakt an die (unebene) Bodenoberfläche anpassen. Gerade bei größeren Arbeitsbreiten dürfte diese Fähigkeit immer mehr geschätzt werden. Die Maschinen für Profis werden immer öfter mit Hilfe von Smartphones und/oder Tablet-PCs gewartet; das erspart Arbeitszeit und Kosten.
Die Entblätterung der Zuckerrüben durch zwei, alternativ in der Front angebaute Wellen mit Gummi- und Stahl-Schlegeln, deren Drehzahl und Arbeitshöhe individuell dem Bestand anzupassen sind, hat auch die klassische Köpfarbeit mit dem Schleifkufen-Tastmesser zur Weiterentwicklung animiert. Viele Hersteller geben mit Lösungen zur sogenannten „Minimal-Köpfung“ eine effiziente und kostengünstige Antwort auf das Schlegel-Entblättern.
Beide Verfahren werden sich in der Praxis weiter etablieren – denn beiden ist gemeinsam: möglichst geringe Masseverluste und Verletzungen sowie keine Blattreste im Erntegut. Diese Erkenntnis macht nicht zwangsweise eine Änderung des Rübenbewertungssystems notwendig.
Rübenlogistik
Eine effiziente Rübenverarbeitung in der Biogas-Anlage (oder der Zuckerfabrik) setzt die Bewältigung enormer Warenströme voraus. Bei Kampagne-Längen deutlich über 100 Tagen findet die Verladung i.d.R. 24 Stunden, also rund um die Uhr, statt. Schlüsselposition hat dabei die Verlademaus. Alle Hersteller haben den Schritt zur „10 m-Aufnahmebreite“ vollzogen, wodurch rund ein Drittel mehr Rüben pro Meter in der Miete liegen.
Das verlangt natürlich eine Anpassung der Erntetechnik sowie der Logistikketten, die mit den unterschiedlichsten Software-Programmen unterstützt und vernetzt sind.
Sauber und ohne Steine
Für den Lieferanten von Zuckerrüben in eine Zuckerfabrik ist mit der Vorreinigung und Bewertung der äußeren Qualität (Besatz der Lieferung) die Ernte abgeschlossen. Anders verhält es sich in der Biogas-Anlage: Je nach Standort und Boden bedarf es einer Trocken- oder Nassreinigung und vor allem Entsteinung. Mit zunehmendem Interesse der Betreiber von Biogas-Anlagen bieten immer mehr etablierte Maschinenhersteller technische Lösungen für die entsprechende Aufbereitung dieser Energierüben. Das in Frage kommende Verfahren wird bestimmt von der Art der Langzeitkonservierung des Rübenmaterials. Dabei scheint sich die Ganzrübensilage aus Gründen der Minimierung der Verluste und Kosten durchzusetzen. Das Entsteinen stellt für alle Hersteller ein zentrales Thema dar, wobei einige je nach Bedarf noch Reinigungs- und Zerkleinerungsmodule verschiedener Leistungsklassen miteinander kombinieren und anbieten. Innovative kompakte Maschinen – im stationären oder mobilen Einsatz – nutzen dabei die mechanischen und physikalischen Eigenschaften der Zuckerrüben, wie zum Beispiel die statische Auftriebskraft im Wasser; eine Rübenwäsche kann, muss aber nicht am Ende dieses Prozesses stehen.
Resümée
Die Entwicklung der Technik für Zuckerrüben-Ernte und -Transport ist geprägt von einer umfassenden Nutzung der Elektronik für Regel- und Steuerfunktionen – sei es in die Zuckerfabrik oder bis zum Fermenter einer Biogasanlage. Die TouchScreen-Technik (ähnlich wie bei Geldautomaten in der Bank) soll den Maschinenführer weiter entlasten; Arbeitsschritte werden immer mehr automatisiert, um die Arbeitsqualität und Rüstzeiten bei wechselnden Fahrern im 24-Stunden-Einsatz zu halten bzw. zu steigern.
Strengere Auflagen für Abgaswerte in der EU bedingen neue Motorentechnik (in der Regel mit AdBlue-Zugabe), was der Leistung nicht abträglich ist.
Der selbstfahrende Köpfrodebunker – meist 6- und 9-reihig, selten auch 12-reihig – setzt seinen Siegeszug weltweit fort. Spurversetztes Fahren in 2- oder immer mehr 3-achsigen Maschinen in Verbindung mit neuester Reifentechnologie oder mit Gurtband sorgt für ein effizientes, bodenschonendes Ernten und schafft „Luft“ im Einsatz für Schlechtwetterperioden im Herbst. Die Minimalköpfung mit modifiziertem Schlagentblatten löst den klassischen Köpfer mit tief arbeitendem Blatt-Häcksler ab. Die Entblätterung mit zwei unabhängig voneinander arbeitenden Schlegel-Wellen im Frontanbau ist eine vollwertige Alternative am selbstfahrenden Köpfrodebunker sowohl für Rüben zur Biogas-Nutzung als auch in der Zuckerfabrik.
In der mit der Organisation der Rübenernte vernetzten Logistik der Rübenabfuhr spielt die „Maus“-Verladung eine Schlüsselrolle. In Ländern mit Vorreinigung am Feldrand setzen sich die selbstfahrenden Reinigungslader vom Bautyp „Maus“ und mit 10-m-Aufnahme durch. Nur noch für Sonderlösungen werden kleinere gezogene bzw. angehängte Maschinenvarianten entwickelt. Die Mechanisierung der Mietenpflege – vor allem auf Vlies-Basis – schreitet parallel voran. Die Datenvernetzung von Saat, Anbau, Ernte, Mietenpflege und Transport sorgt für eine Optimierung der gesamten Produktionskette. Eine Stabilisierung bzw. Steigerung der Wettbewerbskraft der Rübe – für die Verwendung in der Biogasanlage oder in der Zuckerfabrik – durch technische Innovationen ist gegeben und bei globaler Betrachtung auch nötig.
Foto: Peter Gaß
Einleitung: Peter Gaß
Text: Dr. Klaus Ziegler, Verband Fränkischer Zuckerrübenbauer, Eibelstadt, Deutsche Landwirtschafts-Gesellschaft e. V. (DLG), Pressemitteilung Nr. 12 vom 11. Septemer 2013, anläßlich der AGRITECHNICA 2013
Die „Biomethan-Anlage Kroppenstedt (Bördekreis, Sachsen – Anhalt)“ ist im Jahr 2014 auf der Internetseite www.Der-Landwirt-schafft.de das Schwerpunktthema. Die Berichterstattung erfolgt in enger Abstimmung zwischen Peter Gaß, dem Betreiber der Internetseite, und dem Mannheimer Energieversorgungsunternehmen MVV Energie, einem der Betreiber der Anlage. Jeden Monat am ersten Montag erscheint ein Beitrag rund um das Schwerpunktthema. Die Berichterstattung ist in die Bereiche Portrait, Politik und Landtechnik gegliedert. Details dazu können Sie dem Redaktionsplan entnehmen.