Entwicklungstrends in der Pflanzenschutztechnik im Ackerbau
Die sich weltweit abzeichnenden Entwicklungen, wie anhaltendes Wachstum der Weltbevölkerung, Steigerung der Flächenproduktivität, wachsender Bedarf an erneuerbaren Energien, größere Betriebsstrukturen, stellen die Landwirtschaft und somit auch die Landtechnik vor große Herausforderungen.
1. Trends in der Anwendungstechnik
Mit Blick auf den Landwirt sowie auf den Verbraucher- und Umweltschutz sollen Pflanzenschutzmittel möglichst gezielt, exakt dosiert und nur im notwendigen Maß eingesetzt werden. Böden und umliegende Ökosysteme müssen geschont und Fehlerquellen ausgeschaltet werden. Stupide Arbeiten sollen dem Anwender abgenommen und alle Maßnahmen jederzeit nachvollziehbar dokumentiert werden. Moderne Pflanzenschutzgeräte, ausgestattet mit intelligenten technischen Lösungen, können hierzu einen beträchtlichen Beitrag leisten.
Pflanzenschutzgeräte: angebaut, angehängt oder selbstfahrend?
Bei Pflanzenschutzgeräten gibt es einen ausgeprägten Trend zum Selbstfahrer. Anbaugeräte machen im Angebotsumfang der Firmen mit 35 % den 2. Platz aus. Die Anbaugeräte erreichen Arbeitsbreiten bis 28 m und eine Behältergröße von bis zu 1900 Liter. Die hierfür üblicherweise eingesetzten Traktoren benötigen vielfach eine zusätzliche Front-Ballastierung, um bei gefülltem Behälter den Straßenverkehrsvorschriften zu entsprechen. Die Behälter sind kompakt gestaltet und verfügen über Reinigungseinrichtungen, Klarwasserbehälter und Einspülvorrichtungen (optional), so dass eine Gerätereinigung auf dem Feld problemlos möglich ist.
Anhängegeräte weisen in der Statistik des JKI mit 41 % den 1. Platz auf. Die Firmen bieten Geräte mit einer Arbeitsbreite bis zu 51 m und einer Behältergröße bis zu 14.000 Liter an. Allgemein ist festzustellen: Die für die Befüllung, Reinigung und Entleerung erforderlichen Armaturen / Einrichtungen sind bevorzugt auf der linken Geräteseite in einem so genannten Bedienzentrum zusammengefasst und gut gekennzeichnet. Die Bedienelemente, das Display, der Monitor, der Multifunktionshebel sind sehr unterschiedlich gestaltet, jedoch so ausgeführt, dass die für den Spritzvorgang relevanten Stellteile, Mess- und Überwachungseinrichtungen vom Fahrersitz aus bedienbar und gut ablesbar sind. Die Auslegerbreiten nehmen bei Anhängegeräten weiterhin deutlich zu. Untersuchungen zur dynamischen Verteilungsqualität haben ergeben, dass die Gestänge unter praktischen Einsatzbedingungen eine stabile und ruhige Lage einhalten und sich durch eine hohe Gleichmäßigkeit des Spritzbelages auszeichnen. Aufgrund ihres ruhigen Fahrverhaltens schneiden Anhängegeräte eindeutig besser ab als Anbaugeräte. Anhängegeräte werden zunehmend mit hohen Fahrgeschwindigkeiten bewegt. Die Hersteller bieten Geräte mit bis zu 50 km/h und gefederten Achsen an. Ein spurtreuer Nachlauf kann über Achsschenkellenkung oder eine Knickdeichsel realisiert werden.
Selbstfahrer machen in der Angebotspalette der Hersteller zwischenzeitlich einen Anteil von 12 % aus. Diese Geräte können den Einsatzbedingungen optimal angepasst werden und verfügen über eine vielseitige technische Ausstattung. So erfüllen die Leistungsfähigkeit und der Bedienungskomfort dieser Geräte höchste Ansprüche. Neben Auslegern im Heck- und Frontanbau werden nunmehr auch Selbstfahrer mit Gestänge im Zwischenachsanbau angeboten. Von besonderem Interesse für Lohnunternehmer und Großbetriebe sind eine möglichst hohe Flächenleistung, eine günstige Handhabung, eine hohe Wendigkeit sowie eine möglichst gleichmäßige Gewichtsverteilung auf die Räder, was eine exakte Applikation bei hohem Fahr- und Bedienungskomfort, auch bei schwierigen Gelände- und Bodenverhältnissen, gestattet. Das Selbstfahrerangebot mit einem dreiachsigen Fahrgestell reicht bis 8.000 Liter Tankgröße. Von zunehmendem Interesse sind Selbstfahrer mit besonders hoher Bodenfreiheit, wie sie für Pflanzenschutzmaßnahmen im Raps, bei Sonnenblumen oder Mais gegen den Maiswurzelbohrer benötigt werden.
Pflanzenschutzgeräte werden schneller
Anhängegeräte und Selbstfahrer mit großen Arbeitsbreiten und stabilen Gestängen erreichen auch bei höheren Fahrgeschwindigkeiten noch eine gute Verteilungsqualität und eine gute Durchdringung der Pflanzenbestände. Dies haben Untersuchungen des JKI mit Abdrift mindernden Injektordüsen ergeben. Allerdings kann bei zu hohen Fahrgeschwindigkeiten ein Teil der Pflanzenschutzmittel auch über die Grenzen der Feldfläche hinaus verfrachtet werden. Daher ist im Randbereich eines Schlages, auch bei Verwendung Abdrift mindernder Düsen, unbedingt eine Fahrgeschwindigkeit von 6 bis 8 km / h (gute fachliche Praxis) einzuhalten. Zum Inneren des Schlages hin, wenn die Gefahr der Abdrift nicht mehr besteht, kann dann auch mit höheren Fahrgeschwindigkeiten gearbeitet werden. Hersteller statten ihre Feldspritzgeräte zunehmend mit einer Düsenbeleuchtung aus, um auch in den Abend- und Nachtstunden die Spritzfächer der Düsen gut sichtbar zu machen und auf Hindernisse rechtzeitig reagieren zu können.
Welche Düsentypen sind die richtigen?
Die Düsen sind ganz wesentlich dafür verantwortlich, dass bei den praxisüblichen Fahrgeschwindigkeiten neben einer gleichmäßigen Quer- und Längsverteilung auch eine Abdrift arme Applikation erreicht wird. Das Sortiment der Düsenhersteller an Abdrift mindernden Injektordüsen lässt kaum Wünsche offen, das zeigt das Verzeichnis Verlustmindernde Geräte, das derzeit für den Ackerbau 241 Eintragungen aufweist. Auch Randdüsen (Lechler IS und TeeJet AI-UB), die sich durch eine randscharfe Applikation und weniger Drift im Nahbereich auszeichnen, sind im Verzeichnis „Verlustmindernde Geräte“ berücksichtigt. Nunmehr werden verstärkt auch Doppelflachstrahldüsen eingesetzt, die eine bessere Anlagerung und höhere Fahrgeschwindigkeiten ermöglichen sollen. Man unterscheidet hierbei die symmetrischen (30° nach vorn und hinten gerichtete Spritzstrahlen) wie die IDKT, AVI Twin, AITTJ, bzw. die asymmetrischen, wie die HighSpeed (10° nach vorne und 50° nach hinten gerichtete Spritzstrahlen). Da es verschiedentlich beim Einbau von Doppelflachstrahldüsen zum Bespritzen des Gerätes und zu einem Abtropfen der Spritzflüssigkeit kommt, wird dies die Gerätehersteller veranlassen, ihre Neugeräte so ausführen, dass solche Probleme künftig nicht mehr auftreten.
2. Erhebliche Potenziale liegen in der „intelligenten“ Technik
Precision Farming
Eine weitere große Chance und Herausforderung für den Pflanzenschutz der Zukunft stellt Precision Farming dar. Hierbei geht es darum, nur die Teilflächen eines Schlages mit Pflanzenschutzmitteln zu behandeln, auf denen der Schaderreger das zulässige Maß übersteigt und die anderen Flächen unbehandelt zu lassen. Hieraus können sich beträchtliche Einsparungen an Pflanzenschutzmitteln (20 bis 60 %) ergeben. Bei der Umsetzung von Precision Farming in die landwirtschaftliche Praxis werden weiterhin das Offline- und das Online-Verfahren in Betracht gezogen. Die größten Probleme bei Precision Farming sind die Erfassung der Heterogenität des Schlages und die erforderliche Variabilität in der Dosierung der Pflanzenschutzmittel (Direkteinspeisung). Es ist zu erwarten, dass in Zukunft Precision Farming verstärkt im Pflanzenschutz durchgeführt wird.
Agrarcomputer
Pflanzenschutzgeräte werden überwiegend mit elektronischen Regeleinrichtungen ausgestattet. Die Elektronik kann auch weitere Funktionen – Assistenzsysteme – übernehmen und so neben einer Qualitätssteigerung zu einer erheblichen Entlastung der Fahrers beitragen. Dies trifft vor allem für die Bedienung und Ãœberwachung von Pflanzenschutzgeräten mit großen Arbeitsbreiten bei hohen Fahrgeschwindigkeiten zu. Die Schaltung und Funktionsüberwachung von Einzeldüsen sowie Software-Module zur Restmengenminimierung seien hier als besonders aktuelle Beispiele genannt. Eine zukunftsorientierte und variable Elektronikausstattung baut auf einer IOSBUS konforme Schnittstelle zwischen dem Bedienterminal und dem Jobrechner auf der Spritze auf. Die vielen Funktionen, die inzwischen in einer Feldspritze integriert sind, machen grafikfähige, farbige Terminals mit entsprechend großem Display erforderlich. Darauf lassen sich sowohl Schlepper abhängige Werte wie Drehzahl, Temperatur, Hydraulikfunktionen, als auch geräteabhängige Funktionen gleichzeitig darstellen. Sogenannte Comfort-Terminals mit besonders großem Display lassen sich am Bildschirm in zwei Bereiche unterteilen (oben z. B. die Anzeige des Parallelfahrsystems, unten die Spritzgerätefunktionen), so dass die Ãœbersicht erhalten bleibt. Bei der Bedienung des Spritzgerätes kommt man eigentlich nicht ohne den bekannten „Joy-Stick“ aus, der griffgünstig in der Nähe des Schleppersitzes platziert ist.
Ob ein Terminal die ISOBUS-Konformität erreicht, wird im DLG-ISOBUS-Test geprüft. Die Landtechnikbranche hat eine internationale Industrieplattform AEF (Agricultural Industry Electronics Foundation) ins Leben gerufen, welche die Weiterentwicklung kompatibler, praxistauglicher Systeme bis hin zum Hof-PC einschließlich Datentransfer zur Schlagkartei, vorantreiben soll. Im Zusammenhang mit der Aufzeichnungspflicht von Pflanzenschutzmaßnahmen kann es hilfreich sein, die auf dem Terminal verfügbaren Daten der behandelten Flächen, z. B. mittels eines USB-Sticks auf den Hof-PC (Ackerschlagkartei), zu übertragen.
Automatische Teilbreitenschaltung
Eine automatische Teilbreitenschaltung führt sowohl zu einer deutlichen Entlastung des Fahrers, als auch zu einer genaueren Applikation. Auch Hindernisse im Schlag lassen sich dank Satellitenortung damit elegant umfahren. Versuche des JKI im Jahr 2010 mit automatischen Teilbreitenschaltungen haben gezeigt, dass die Systeme sorgfältig eingestellt werden müssen, da es sonst, unabhängig von Fehlern der Satellitennavigation, zu größeren Abweichungen kommen kann. Die Hersteller geben im Parallelfahrbetrieb Genauigkeiten im „Spur-zu-Spurbetrieb“ von 10 cm bis 30 cm an, die durchaus realistisch sind. Alle bekannten Systeme für die automatische Teilbreitenschaltung gestatten dem Landwirt die Wahl zwischen 0 %, 50 % oder 100 % Überlappung. Wer noch engere Abstufungen braucht, wird dies durch eine Einzeldüsenschaltung bald realisieren können. Grundsätzlich sind die Systeme gut geeignet, dem Anwender am Vorgewende, bei keilförmigen Schlägen, in der Dämmerung oder nachts, beim Umfahren von Hindernissen wie auch bei Vorauflaufanwendungen ohne Fahrspuren, die Arbeit wesentlich zu erleichtern.
Automatische Gestängeanpassung
Wichtig für eine gute Verteilung und Benetzung der Zielfläche ist eine ausreichende Parallelführung des Spritzgestänges. Bei zunehmender Arbeitsbreite und / oder zunehmender Fahrgeschwindigkeit ist bei der manuellen Steuerung des Hangausgleiches der Anwender allerdings schnell überfordert, so dass sich Bodenkontakte oder das Eintauchen in die Bestände häufen. Hier können automatische Gestängeführungssysteme, die zumeist mit einem sogenannten Vorgewende-Management gekoppelt sind, weiterhelfen. Beim Abschalten der Düsen und dem Herausfahren in das Vorgewende wird das Gestänge automatisch angehoben und beim Wiedereinsetzen senkt sich das Gestänge automatisch auf den zuvor eingestellten Wert ab. Die Gestängeaufhängungen haben auch ohne eine automatische Parallelführung in den letzten Jahren große Fortschritte gemacht. Wie Messungen des JKI auf dem eigenen Schwingungsprüfstand belegen, werden auch unter dynamischen Verhältnissen inzwischen ähnlich gute Verteilungsgleichmäßigkeiten erzielt wie bei stationären Messungen auf dem Rinnenprüfstand.
Automatische Gerätereinigung
Eine zeitsparende und gründliche Reinigung des Pflanzenschutzgerätes ist entscheidend, um bei Kultur- bzw. Mittelwechsel phytotoxische Schäden oder unerlaubte Rückstände sowie Punkteinträge von Pflanzenschutzmitteln in Oberflächengewässer zu vermeiden. Automatische Reinigungseinrichtungen für die Innen- und nunmehr auch für die Außenreinigung des Spritzgestänges sind zeitsparend und bieten dem Landwirt einen erheblichen Komfortgewinn. Untersuchungen des JKI haben gezeigt, dass bei einer effektiven Innenreinigung und einer erneuten Wiederbefüllung mit Wasser Pflanzenschutzmittelrestkonzentrationen zwischen 0,01 und 0,04 % erreicht werden können. Kontinuierlich arbeitende Reinigungseinrichtungen können noch niedrigere Werte erreichen. Hierbei wird während der Reinigung kontinuierlich nur so viel Wasser über eine separate Pumpe der Reinigungsdüse zugeführt, wie über die Düsen ausgebracht wird. Auch beim Befüllen eines Pflanzenschutzgerätes kann die Zudosierung der flüssigen Produkte (bis zu fünf) aus den Originalgebinden zwischenzeitlich automatisch und kontaminationsfrei für den Anwender erfolgen.
Text: Dr.-Ing. Heinz Ganzelmeier, Julius Kühn-Institut, Institut für Anwendungstechnik im Pflanzenschutz, Braunschweig, DLG, Pressemitteilung Nr. 22 vom 21.09.2011
Foto: Peter Gaß